Mit Vollgas voraus: Deutschlands Wasserstoffkernnetz nimmt erste Züge an

Worum geht es?

Im vergangenen Herbst hat Deutschland mit seinem 20-Milliarden-Euro-Plan für das weltweit größte nationale Wasserstoffkernnetz einen historischen Meilenstein in der Umsetzung seiner Nationalen Wasserstoffstrategie erreicht. Geplant ist ein 9 700 km langes Wasserstoffpipeline-Netz, welches größtenteils aus umfunktionierten Erdgasleitungen und neu gelegten Pipelines bestehen soll, die Deutschlands Häfen, Industriegebiete, Kraftwerke und Lagerstätten versorgungstechnisch miteinander verbinden. Das Kernnetz soll die Dekarbonisierung der deutschen Industrie auf dem Weg zum Klimaneutralitäts-Ziel bis 2045 vorantreiben, indem Wasserstoff anstelle von Erdgas zur Versorgung von schwer zu elektrifizierenden Produktionsstätten wie z.B. in der Chemie- und Stahlproduktion  eingesetzt wird. Laut Planungen der Bundesregierung sollen bereits 2025 erste Bauarbeiten am Kernnetz beginnen. Finanziert werden soll das Großprojekt hauptsächlich durch erhobene Gebühren aus dem zukünftigen Netzbetrieb.  

Glanzidee oder Schuss ins Schwarze?

Berlins bahnbrechendes Vorhaben ist ein wichtiger Impuls für den Ausbau der deutschen Wasserstoffwirtschaft und ist in seinem Umfang europäischer Spitzenreiter in der Dekarbonisierung der Schwerindustrie. Mit den detaillierten Plänen für ein bundesweites Wasserstoff-Pipelinenetz legen die Netzbetreiber der Bundesregierung eine lang erwartete Agenda für den schrittweisen Hochlauf der heimischen Wasserstoffwirtschaft vor. Gesetzlich untermauert wurde diese Agenda noch vor Kurzem durch Änderungen am Energie-Wirtschaftsgesetz hinsichtlich der Regelung des Netzbetriebs und entsprechender Finanzierungsmodelle. Weitere staatliche Rahmenbedingungen für den Import, die Produktion und die Speicherung von Wasserstoff sollen darüber hinaus Investoren nach Deutschland locken und Planungssicherheit signalisieren.

Doch auch wenn manche Investoren solch einen detaillierten Fahrplan handreichend begrüßen, so steht Berlins Vision von einem voll funktionsfähigen Wasserstoffnetz ab 2032 noch ein langer und holpriger Weg bevor. Die Aussichten für den deutschen Wasserstoffbedarf und die zukünftigen Beschaffungsquellen sind weiterhin ungewiss. Berichten zufolge könnte die Bundesrepublik ihren künftigen Bedarf am klimaneutralen Gas deutlich überschätzt haben. Fraglich sei auch, ob die ausländischen Hersteller in der Lage seien, den gesamten Wasserstoff zu liefern, den Deutschland zu importieren hofft, denn bisher habe nur ein Bruchteil ausländischer Wasserstoffproduzenten entsprechende europäische Finanzierungszusagen erhalten. Angesichts jüngster Erfahrungen mit der risikobehafteten Abhängigkeit von russischem Erdgas könnte man auch bezweifeln, ob es klug für Deutschland ist, sich bei der Versorgung der Schwerindustrie erneut zu sehr auf ausländische Energie-Lieferanten zu stützen.

Andererseits lassen zahlreiche Wasserstoffgroßprojekte führender Industrieunternehmen wie Thyssen-Krupp sowie die Bereitschaft der Gasnetzbetreiber zur engen Zusammenarbeit mit der Bundesregierung Hoffnung wecken, dass Berlin die grüne Wasserstofftransformation langfristig gelingen könnte. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Planungen der Bundesregierung zum Ausbau des Wasserstoffkernnetzes wirtschaftlich an Fahrt gewinnen oder bereits um kurz vor Zwölf ins Stocken geraten.

Unser deutsches Monitoring-Team bei Dods Political Intelligence hat sich die Wasserstoff-Netzplanung in der Bundesrepublik genauer unter die Lupe genommen und für Sie die wichtigsten Informationen kompakt in einem englischsprachigen Policy-Brief zusammengestellt.